Tagung 2018 - Rückschau
Über 150 Teilnehmer und Mitwirkende erlebten eine anregende und, das darf man wohl wirklich sagen: begeisternde Tagung!
Zum 20jährigen Jubiläum beschrieben die Grußworte des HAMBURGer Schulsenatoren Ties Rabe sowie des Bundesverbands Legasthenie und Dyskalkulie BVL bzw. Fachverbands für integrative Lerntherapie FiL den enormen Beitrag von KREISEL e.V. zur Entwicklung des Berufsbilds und zur Verbreitung der ganzheitlich-systemischen Lerntherapie.
Prof. RAINER HOEHNE würdigte in sehr persönlichen Worten das Lebenswerk von MARGARITA und JOCHEN KLEIN, der genau 40 Jahre in diesem Feld tätig war, auch im Rahmen von BVL und FiL.
HAMBURGweit 500, bundesweit inzwischen ca. 4.000 Lehrgangsteilnehmer bezeugen nicht nur die erfolgreiche Arbeit. Diese Zahlen sind zugleich Ausdruck des enormen Bedarfs an professioneller Unterstützung für Kinder und Jugendliche sowie für deren zugehörigen Eltern und Lehrkräfte.
Der Vortrag von Dr. BRITTA BÜCHNER und Prof. Dr. DAVID GERLACH (beide von Legakids/alphaPROF) zeigte noch einmal Merkmale von Integrativer Lerntherapie auf: außerhalb des (Schul-)Alltags, auf Bedürfnisse des Kindes zugeschnitten, ein besonderer, eigener, geschützter Ort, Beziehung als Basis für die Ermutigung des Kindes, Diagnose-, Förder- und Beratungskompetenz u.v.a.
Diese hohe Professionalität konnte sich (nur) im Rahmen der selbstständigen Praxis entwickeln: Die Unabhängigkeit gab die Freiheit zur kreativen Gestaltung und zur Selbstfindung des Berufs. Diese Vielseitigkeit konnten wir auf der Tagung an unserem „Flyerbaum“ schön abbilden.
Eine neue Entwicklung seit ca. zehn Jahren: Lerntherapie „geht in die Schule“. Im zweiten Teil ihres Vortrags stellten BRITTA BÜCHNER und DAVID GERLACH zwei „best-practice-Beispiele“ vor, denen neben der Lern-Unterstützung für die Schüler die so wichtige Kooperation mit den Lehrkräften gemeinsam ist. Hier bekommt Lerntherapie – auch im Kontext von inklusiver Schule – ein zukunftsträchtiges Arbeitsfeld.
Sowohl das folgende Podiumsgespräch als auch der Vortrag von CHRISTIANE METTLAU beschäftigten sich mit der erforderlichen multiprofessionellen Zusammenarbeit.
Das von MARGARITA KLEIN moderierte Podium spiegelte dies schon in seiner Besetzung wider: Schulrätin HEIKE NOLL (Brandenburg), Jugendamtsvertreter GEORG SCHÄFER (CELLE) als behördliche Befürworter sowie Dr. BRITTA BÜCHNER, Prof. Dr. DAVID GERLACH und Dr. JOCHEN KLEIN als praktizierende Befürworter der multiprofessionellen Kooperation. Es bestand Einigkeit darin, dass insbesondere die frühe Förderung als zugleich präventive wie inklusive Aufgabe einen erheblichen Schwerpunkt in der Politik von Schul- und Sozial-/Jugendbehörden sein sollten.
Der Vortrag von CHRISTIANE METTLAU berichtete von den Mühen der anstehenden Kooperation. So sehr die unabdingbare Notwendigkeit multiprofessioneller Arbeit gesehen wird, so ernüchternd sehen weltweite Studien die Herausforderung an alle Beteiligten wie Gehalts- und Statusunterschiede, Mangel an Zeit und Raum u.a. Inklusion braucht vielfältige Fachkräfte, ohne Zweifel sind Lerntherapeut_innen hier richtig! Doch die innere Bereitschaft und Fähigkeit zur Zusammenarbeit bei gleichzeitiger Beibehaltung der eigenen Berufsrolle ist längst noch nicht bei allen Beteiligten gegeben.
Wichtigste Voraussetzung – das zeigen Forschungen und bestätigen damit auch die Erfahrungen der KREISELinitiative Lerntherapie IN Schule – sind engagierte Schulleitungen, die eine solche Schulentwicklung anstoßen und tragen.
Die Wirksamkeit von Lerntherapie ist mittlerweile unumstritten. Entscheidend wird sein, wie auch und gerade im Rahmen der inklusiven Schulentwicklung die multiprofessionelle Zusammenarbeit der etablierten Pädagogen mit Sonderpädagogik, Schulpsychologie, Lerntherapie, Schulbegleitung, Schulassistenz … zukünftig gelingen wird.
Prof. RENATE ZIMMER zeigte in ihrem Vortrag und mit beeindruckenden Bildern, dass Kinder von Geburt an Neu-Gier zeigen („Gier nach Neuem“), Be-Greifen wollen, Selbstwirksamkeit erfahren wollen. Sie betonte einmal mehr den hohen Stellenwert von Körper und Senso-Motorik für emotionale und kognitive Funktionen wie der Sprache, wie sie auch dem ganzheitlich-systemischen Konzept und dem mehrdimensionalen Drehmodell von Dr. JOCHEN KLEIN zugrunde liegt. Dieses wurde übrigens in der überarbeiteten und um Mathematik erweiterten Form zusammen mit dem (historischen) Band „Lesen- und Schreibenlernen im Entwicklungszusammenhang. Interdisziplinäre Beiträge“ aus dem Jahr 1988 allen Tagungsteilnehmer_innen ausgehändigt, eine immer noch aktuelle Quelle für ganzheitliche Lerntherapie! (Für alle Mitglieder im KREISELnetzwerk können Exemplare kostenfrei im KREISEL abgeholt werden. Das neue Drehmodell kann ebenfalls bestellt werden, siehe Netzwerkbereich.)
Auf besonders belastende Emotionen mit traumatischer Wirkung ging MAURI FRIES in ihrem Vortrag ein über ‚Kinder, die scheinbar nicht zu erreichen sind‘. Wenn außergewöhnliche Erlebnisse das Nervensystem mit einem Trauma belasten, ist nach der Polyvagaltheorie die Kontaktaufnahme, also der Beziehungsaufbau extrem erschwert. Das Nervensystem braucht nach Schrecksituationen Erholung, doch häufig bleibt die Erregung im Körper und kann zu unvorhergesehenen Folgen wie Zappeligkeit, Unruhe, Depression u.a. führen. (Lern-)Therapeut_innen können helfen, durch Zeit geben, durch Ausstrahlen von Sicherheit und Unterstützung, dem autonomen Nervensystems des Kindes bei seiner Selbstregulation zu helfen: eine neurologische Erklärung für die Wirksamkeit von Integrativer Lerntherapie.
Mehr über das 20jährige KREISELjubiläum und die Übergabe der Leitung finden Sie hier.